A. T. Woilotschnikow
Schon in früheren Jahrhunderten war der Zobel aufgrund seines außergewöhnlich seidigen Balges sehr begehrtes Pelzwerk. Die starken Nachstellungen dezimierten seinen Besatz so sehr, dass 1935 die Jagd ganz eingestellt wurde. Später war sie Kontrollen unterworfen und gleichzeitig bemühte man sich, den Zobel wieder anzusiedeln. Über die heutige Jagd mit Laikahunden in der sibirischen Taiga informiert dieser Bericht.
Überaus reich an Pelztieren ist die sibirische Taiga, das riesige Waldmassiv, das sich vom Ural bis zum Stillen Ozean erstreckt. Das Eichhörnchen, der Marder. der Biber, der Fischotter, der Luchs und viele andere Tiere Sibiriens sind für ihren wertvollen und schönen Pelz bekannt. Doch an erster Stelle stand und steht der in aller Welt berühmte sibirische Zobel. Dieses kleine Raubwild ähnelt dem Baummarder, der in Europa beheimatet ist. Es zählt tatsächlich zur Familie der Marder, steht jedoch unter den zahlreichen Arten dieser Familie mit seinem herrlich flauschigen, zarten und seidigen Balg einzig da. Einen schöneren Pelz als den des Zobels kannte und kennt die Welt nicht. Er schmückte die Prachtgewänder der russischen Zaren, er wurde im alten Russland als kaiserliche Auszeichnung überreicht. Er, dieser leichte und elegante Pelz, war der edelste Schmuck luxuriöser Abendtoiletten und berauschender Ballkleider. Die Färbung des Zobelbalges ist sehr unterschiedlich - von goldig über rauchbraun und bläulichgrau bis hin zu recht dunklen Schattierungen. Je dunkler er ist, desto höher steht er im Wert. Mitunter heben sich vor dem dunklen Gesamtuntergrund silberne Grannen ab, die gleichmäßig über Rücken und Flanken verteilt sind und dem Zobel besondere Eleganz verleihen. Solche Pelze .,mit Graustich" kosten ein Vermögen. So ist 1928 in London ein selten schönet Zobel für 12 000 Rubel verkauft worden, das heißt für fast zehn Kilogramm Reingold' Es hat also seinen guten Grund, dass der Zobel als herrliche schwarze Perle der wenig einladenden und grimmigen sibirischen Taiga bezeichnet wird. Die Erschließung der riesigen sibirischen Räume hing nicht zuletzt mit diesem Wild zusammen. Russische Industrielle und Kosaken machten sich nach Osten auf in der Hoffnung, mehr kostbare Zobelbälge zu erjagen, und stießen dabei in immer neue unerkundete Gebiete Sibiriens vor.
Viele Jäger kehrten von der Zobeljagd nie zurück
Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts gab es in Sibirien viele Vertreter dieser Marderfamilie. Zehntausende Zobelbälge traten jährlich ihren Weg in die Pelzkammern des Schatzamtes und zu den zahlreichen Verkaufsmessen an. Das Ausmaß der Bejagung führte, was gar nicht anders sein konnte, zu einer Dezimierung der Besätze, so dass das kleine Raubwild Anfang des 20. Jahrhunderts nur noch in wenigen schwerzugänglich, vorwiegend gebirgigen Landstrichen der Taiga anzutreffen war. Auf der Jagd nach dem seltenen Pelzträger, der nun immer mehr im Preis stieg, entfernten sich die Jäger Hunderte von Kilometern von ihren Wohnstätten und zogen ganz allein wochen- und a auch monatelang durch das finstere Taigadickicht, übernachteten gewöhnlich unter freiem Himmel an einem Lagerfeuer, das nur wenig Schutz gegen die grimmigen sibirischen Fröste bot, und nahmen viele andere Erschwernisse und Missgeschicke auf sich. Kann es da verwundern, dass viele Jäger ihre Gesundheit einbüßten oder spurlos in der unwegsamen sibirischen Taiga verschollen gingen? Der Zobel! Wie viel Sagen und Legenden knüpften sich an dieses Wild, wie viel Hoffnungen waren gescheitert, wie viel Tragödien und Schicksalsschläge hat der wertvolle Pelz den Menschen beschert! In jenen Jahren, als er zur Seltenheit geworden war, kehrte nicht jeder Jäger mit der kostbaren Beute heim. Hatte er jedoch Glück, war er ein gemachter Mann. Denn ein einziger dunkler Zobelpelz reichte aus, um vom Erlös ein gediegenes Haus zu bauen.
Darum spornte der Erfolg dieses einen Jägers viele andere zum Nachahmen an und im Ergebnis wurde der Besatz dieser wertvollen Wildart immer geringer. Gegen Anfang der 30er Jahre war der Zobel derart selten geworden, dass sich die Sowjetregierung 1935 veranlasst sah, für fünf Jahre generell jede Zobeljagd zu verbieten. Das Ergebnis ließ nicht auf sich warten: Bereits zu Beginn der 40er Jahre war das Vorkommen wieder angewachsen, so dass das Jagdverbot aufgehoben werden konnte. Gleichzeitig gab es jedoch Einschränkungen in Form eines Systems der Lizenzvergabe. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg begannen in Sibirien umfangreiche Arbeiten zur Reakklimatisierung des Zobels. Tausende Exemplare wurden jährlich in Gegenden eingefangen, in denen sich das kleine Raubwild wieder angesiedelt hatte, und in Räumen freigelassen, in denen es früher beheimatet war. Diese Maßnahmen erwiesen sich als überaus wirksam, so dass schließlich gegen Mitte der 60er Jahre von einer Stabilisierung des Zobelvorkommens gesprochen werden konnte. Die Jagd auf den Zobel ist strapaziös; denn der Jäger steht der Taiga von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Die Taiga aber kennt keine Nachsicht. Hier kommt es auf Ortskenntnis an, auf die Fähigkeit, sich im Wald zu orientieren, hier muss man wissen, wie man sich im Dickicht zu bewegen hat. Dennoch brechen jedes Jahr im Spätherbst Tausende Jäger zu ihren Jagdrevieren auf. die mitunter bis zu mehreren hundert Kilometern entfernt liegen. Die Größe des zugewiesenen Reviers hängt von der Populationsstärke des dort beheimateten Zobels ab. In den besten Jagdrevieren, also in Zedernwäldern, kommen aufeinen Jäger 150 bis 300 Quadratkilometer, in den an Zobeln ärmeren Lärchenwäldern sind die Reviere vier- bis sechsmal so groß. Zu den Jagdmethoden zählen die Verwendung von Fangeisen und selbstgebauten Holzfallen. Doch diese Art ist, obwohl sie mehr Erfahrung voraussetzt, nicht so mitreißend wie das Jagen mit Gewehr und einer Laika - dem Jagdhund der Taigazone. Nur eine gute, auf Zobelabgerichtete Laika, die über große Passion, ausgezeichnete Nase, Verstand, Ausdauer und Zähigkeit verfügt, macht die Jagd zu einem Erfolg.
Verfolgung des Zobels mit der „Bellerin“
Hat die Laika eine frische Zobelspur entdeckt, wird sie zunächst genau untersucht. Sind die Eindrücke enträtselt, nimmt der Hund die Verfolgung in einem schnellen Galopp auf. Erfahrene Jagdhunde laufen dabei häufig nicht unmittelbar auf der Spur, sondern etwas abseits, wo ihnen der Wind den Fährtengeruch zuträgt. Von Zeit zu Zeit schneidet die Laika die Spur, wechselt also ihre „Fahrbahn“. Hat sie die Spur überschossen, weil das Wild einen scharfen Haken geschlagen hat, dann zieht sie einen Kreis, mitunter auch mehrere, und nimmt, nachdem sie die Spur wiedergefunden hat, die Verfolgung erneut auf. Der Zobel versucht, wenn er den Hund vernommen hat, vor dem Verfolger zu flüchten und sich rechtzeitig in Steinwällen oder Windbrüchen in Sicherheit zu bringen. Ihn dort herauszubekommen, ist so gut wie unmöglich. Spürt das Wild jedoch, dass der Hund zu nahe herangekommen ist, dann springt es mitunter auf einen Baum. wo es sich in die dichte Krone oder in ein Astloch zurückzieht, oder aber es schlüpft in eine Aushöhlung im Wurzelwerk. Am Versteck angekommen, gibt der Hund Laut. Das ist sein Metier, und daher kommt auch sein Name; denn Laika heißt zu Deutsch die ,,Bellerin". Mitunter hat der Hund sich bei der Spurarbeit so weit entfernt, dass der Jäger ihn nicht mehr hören kann. Deshalb muss ein Zobelhund Ausdauer haben, da mitunter Stunden vergehen können, bis sein Herr eintrifft. Es kommt vor, dass Laikahunde die ganze Nacht hindurch am Zobelversteck ausharren. Der Jäger, an Ort und Stelle eingetroffen, muss nun, bevor er mit dem Einfangen des Raubwildes beginnt, sich gründlich mit allen Gegebenheiten vertraut machen. Das Inbesitznehmen selbst ist oft ganz einfach, kann aber auch sehr viel Zeit und Mühe kosten. Alles hängt hier von der Art des Verstecks ab. Alte, erfahrene Exemplare, insbesondere ausgewachsen Rüden, die mit Hunden schon Bekanntschaft gemacht haben, entgehen mitunter sogar den gewieftesten vierläufigen Verfolgern. Zusammen mit einem älteren, erfahrenen Jäger bin ich einmal von morgens bis abends einem starken Zobelrüden nachgejagt. Die Laika des Jägers, die bereits mehr als 200 Zobel aufgespürt hatte, gab sich alle nur denkbare Mühe. Doch das Wild ließ sich immer neue Tricks einfallen. Es holzte die Bäume hinauf, legte ein Stück in den Baumkronen zurück und sprang dann in weitem Satz in den Schnee. Oder es schlängelte sich geschwind unter Bergen von Reisig hindurch. Dann wieder orientierte es sich von einem Baumstumpf, aus welcher Richtung der Hund nahte, und schlug schnell eine neue Richtung ein. Jedes mal musste die Laika Kreise ziehen, um die Spur wiederzufinden. Inzwischen aber bekam der Zabel großen Vorsprung. Alles in allem, dieser raffinierte Gegner entging uns.
Übernachtung im Freien am Versteck des Zobels
Ein anderes Mal begleitete ich einen recht jungen, aber bereits angesehenen Jäger und seine zwei Laikahunde auf Zobeljagd. Die Verfolgung begann nachmittags und endete gegen Abend. Es dämmerte bereits, als wir, schnaufend und abgekämpft, die Stelle erreichten, wo die beiden Hunde unentwegt den Zobel anbellten. Aus dem Verhalten der Jagdhelfer schlossen wir, dass sich das Raubwild auf einer der drei recht stämmigen Zedern befinden musste. Wir konnten es nicht sehen, auch Schreckschüsse halfen nicht. Die Zeit verging, es wurde zusehends dunkler. Wir beschlossen, hier zu übernachten, um die Jagd am nächsten Morgen fortzusetzen. Die Nacht dort am Lagerfeuer ist für immer in meinem Gedächtnis geblieben. In unmittelbarer Nähe der Stelle, an der sich der Zobel verborgen hielt, gab es keine ausreichend starken Bäume für ein Lagerfeuer, wie es nachts in der winterlichen Taiga benötigt wird. In der Finsternis fanden wir lediglich einige dürre, trockene Stämme, fällten sie und brachten sie zum Platz der Übernachtung. Solange wir arbeiteten, war die Kälte nicht zu spüren. Doch als wir uns am Lagerfeuer niedergelassen hatten, begann der Frost von fast vierzig Grad uns erbarmungslos zu zwicken: von der einen Seite die Hitze des lodernden Feuers, von der anderen drang die eisige Kälte bis in die Knochen. Mit einer solchen Übernachtung hatten wir nicht gerechnet und darum nur einen Brotkanten pro Mann und etwas Zucker eingesteckt. Abgespannt, hungrig und bald von der einen, bald von der anderen Seite zu Eis erstarrend, saßen wir oder lagen zusammengekauert auf Tannenzweigen, die wir auf den Schnee geworfen hatten, und schoben von Zeit zu Zeit neue Holzscheite ins Feuer.
Lang, unendlich lang erschien uns diese Winternacht, besonders ihre zweite Hälfte, als unsere Augen zufielen und wir uns gegen den Schlaf nicht mehr wehren konnten. Von einem Schubs des anderen oder von der unerträglichen Kälte aufwachend, wärmten wir unsere fast erstarrten Körper am Feuer auf. Endlich hatte die schreckliche Nacht ein Ende. Der Frost schien zwar noch grimmiger geworden zu sein, doch uns wurde es wärmer ums Herz. Als es ganz hell geworden war, gingen wir an unsere Arbeit. Es halfen jedoch weder Schreckschüsse noch das Abklopfen der Bäume mit einer Holzlatte. Davon geholzt konnte der Zobel nicht sein, das hätten die erfahrenen Hunde nicht zugelassen. Der Jäger besah sich die Bäume aufmerksam und entdeckte an einer der Zedern ein Astloch. Dort hatte sich der Zobel tatsächlich versteckt. Der Jäger schnitzte sich eine lange dünne Latte und versperrte damit das Astloch. Dann fällten wir die Zeder. Nun war es keine Schwierigkeit mehr, den Zobel herauszuholen. Alle wissen, die Arbeit der Perlenfischer ist schwer. Doch nicht minder schwer ist die Arbeit der Zobeljäger. Beide, die Perle und der Zobel, sind eine Augenweide, beide sind schwer zu beschaffen, beide stehen hoch im Kurs. Hohe Preise werden für Schönheit gezahlt, doch großen Wert hat sie nur, wenn viel Mühe bei ihrer Erbeutung aufgewendet werden muss. Das gilt für die Perlen des Meeres genauso wie für die herrliche Perle der sibirischen Taiga, den Zobeln.
Wild und Hund 22/1985