A. Woilotschnikow
Über die Aufgaben der russischen Laika-Rassen
Von alters her ist Russland wegen seines Reichtums an Pelztieren berühmt. Bälge von Eichhörnchen, Marder, Zobel, Fuchs und anderen wurden immer sehr geschätzt. Die wertvollsten erbeuteten die Jäger in den Taiga-Wäldern des europäischen Nordens und Sibiriens. Dies geschah vor allem mit Hilfe der Laikas, der Jagdhunde in der nördlichen Waldzone Eurasiens.
“Laika" heißt „Verbeller“
Bei den Laika-Hunden handelt es sich um eine weitverbreitete Gruppe von Rassen, die in grauer Vorzeit von nordischen Völkern herangezüchtet wurden. Diese Hunde konnten sich stets in großer Freiheit entwickeln. Sie wurden nicht an der Leine gehalten, sondern waren das ganze Jahr über im Freien, häufig bei sehr begrenzter Nahrung. Die harten Haltungsbedingungen waren wie die jagdlichen Anforderungen eine scharfe Auslese, so daß sich im Laufe der Zeit für die vielseitige Verwendung in der Praxis wertvolle Eigenschaften entwickelten. Laikas können über längere Zeit hungern, erholen sich rasch wieder, vertragen starken Frost gut und ebenso sehr warmes Wetter. Freie Haltung und Leistungsansprüche bewirkten mit der Zeit eine Veranlagung zur Selbständigkeit. In vielen Jahrhunderten ergaben sich als wichtigste Voraussetzungen neben Robustheit und Beweglichkeit die ausgezeichnete Nase ein gutes Hör und Sehvermögen sowie tiefverankerte Jagdinstinkte. Besonders hervorzuheben ist die Eigenschaft, kleineres Haar und Federwild aufzuspüren und durch Lautgeben dessen Standort anzuzeigen. Größeres Wild wird sogar scharf zufassend gestellt sowie verbellt, bis der Jäger herangekommen ist. Die Rassebezeichnung ,,Laika" bedeutet „Verbeller“. In dem riesigen Gebiet ihrer Verbreitung unterschieden sich die Laika-Hunde stark voneinander. Dies ergab sich im Laufe der langen Entwicklung im Zusammenhang mit Spezialisierung, beeinflusst durch geographische Bedingungen, Besonderheiten der Wildtierfauna, der Jagdarten, Traditionen und Bräuche der einzelnen Völker. Einer der ersten russischen Kynologen, Fürst A. Schirinski-Schichmatow, der diese Hunde Ende des vorigen Jahrhunderts studierte sprach von ebenso vielen Abarten, wie es Völkerstämme gibt. Im Grunde haben aber die Laikas des europäischen Nordens und Sibiriens über Jahrhunderte ihren Typ und ihre Arbeitsqualitäten bewahrt. Dazu trug sicherlich die geographische und wirtschaftliche Isolierung der Taiga-Gebiete bei. Aber mit der zunehmenden Erschließung von den zwanziger Jahren an änderte sich die Situation. Arbeiter, die zur Gewinnung von Holz und Bodenschätzen in die Taiga-Regionen kamen, brachten in großer Anzahl Hunde verschiedenster Rassen mit, die sich mit den Laikas vermischten. Gleichzeitig begannen aber glücklicherweise Kynologen und Jäger mit der Reinzucht dieses Hundes, also der Bewahrung des Erbgutes. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg gab es einen großen Aufschwung, es wurden viele Zuchtstätten eingerichtet und Rassekennzeichen festgelegt, auf deren Grundlage bald eine Verbesserung der Reinzucht erfolgte. Gegenwärtig gibt es in der UdSSR vier anerkannte Rassen. Der russisch-europäische Laika-Hund ist lebhaft und kräftig, von beinahe quadratischem Format. Seine Widerristhöhe beträgt übrigens bei Rüden 52 bis 58, bei Hündinnen 48 bis 54 Zentimeter. Die Farbe ist schwarz mit weißen Partien, weiß mit schwarzen Flecken oder reinweiß. Die westsibirischen Lalka-Hunde sind etwas größer, gestreckter und wirken im Verhalten ruhiger. Sie sind grau, graufleckig, fahlgelb, weiß, rot oder rot gefleckt. Sie werden geführt von den Westgrenzen des Landes bis zu den Ufern des Stillen Ozeans. Die karelo-finnischen und die ostsibirischen Laika-Hunde kommen nicht sehr zahlreich vor. Der karelo-finnische ist kleiner (Rüden 42 bis 50, Hündinnen 38 bis 46 Zentimeter). Dieser rote, lebhafte Hund ist relativ leichtführig, aber auch wildscharf; er wird hauptsächlich auf Federwild und kleineres Raubwild geführt. Die geordnete Zucht der ostsibirischen Laikas begann erst Ende der sechziger Jahre. Vorerst sind sie noch recht unterschiedlich im Typ (gewöhnlich mittelgroß, Wideristhöhe bis 64 Zentimeter oder sogar darüber). Ihre Haarfärbung reicht von schwarz über weiß, glau, braun und rot bis zu dreifarbigen Hunden. Diese Rasse mit ihrem starken Knochengerüst wird auch bei der Jagd auf großes Wild, beispielsweise Bären, eingesetzt.
Von der Ente bis zum Bären
Die Vielseitigkeit der Laika-Rassen ist beeindruckend. Mit Beginn der Sommerjagd wird mit ihnen auf Enten und Birkhühner im dichten Bewuchs buschiert bzw. gestöbert, sie apportieren und verbellen aufgebaumtes Auerwild und Fasanen. Im Herbst und Winter führen sie mit ihrem Jagdinstinkt den Jäger zu aufgebaumten Eichhörnchen und Mardern, folgen den Spuren von Zobeln und Wieseln und treiben diese in ihre Unterschlupfe. Sie machen die Baue von Marderhunden ausfindig und sprengen das Wild; sie verfolgen Elch und Schwarzwild und besonders Mutige auch den Bären und geben so dem Jäger die Möglichkeit, an das gestellte Wild heranzukommen. Diese in harter Auslesezucht erreichten Qualitäten führten dazu, dass Laikas in den letzten Jahrzehnten auch im Baltikum, in der Ukraine, auf der Krim und in Mittelasien eingesetzt wurden, besonders bei der Schwarzwildjagd. In vielen Fällen kommt es zu einer gewissen Spezialisierung, abhängig vor allem von den jeweiligen Jagdmöglichkeiten. So mancher Laika stellt sich, wenn er älter geworden ist, von sich aus auf größeres Wild um und jagt bevorzugt an Elch oder Sau, diese stundenlang verbellend. Laikas sind sehr anpassungsfähig und klug. Ein Berufsjäger, der im Petschora-Becken jagte, berichtete mir von einem fast unglaublichen Fall: Er befand sich in der Wintersaison in seinem Taiga-Jagdgebiet, das etwa 120 Kilometer von seinem Haus entfernt war. Er hatte einen sechsjährigen Rüden dabei, mit dem er erfolgreich auf Eichhörnchen und Marder jagte. An einem der langen Winterabende machte er sich Sorgen um seine Familie und versuchte, seinen Laika-Hund nach Hause zu schicken. Auf einer am Halsband angebrachten Mitteilung ließ er seine Frau wissen, dass es ihm gut gehe, führte den Hund aus der Jagdhütte und leitete ihn mit bestimmten, dem Hund wahrscheinlich in der Bedeutung vertrauten Worten an, nach Hause zu laufen. Dieser verschwand in der Nacht – und unerwartet schnell kehrte er zurück. An seinem Halsband befand sich eine Nachricht der Frau des Jägers, dass ihr Mann wegen der Erkrankung einer ihrer Töchter sofort nach Hause kommen solle.
Wild und Hund 20/1982